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Verbundenes Pfarramt

Videointerview mit Ulrike Schimmelpfeng und Ellen Abel

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Die Kirche steht vor großen Veränderungen

Videointerview mit Ulrike Schimmelpfeng und Ellen Abel

Eine sich stetig verändernde Gesellschaft verbunden mit einer generellen Ausdünnung des Christentums sorgen für einen Schwund bei der Zahl von Gemeindegliedern. Die Landkreise Goslar und Göttingen werden den Prognosen nach wie viele andere auch weiterhin deutlich Einwohner verlieren, wodurch die Kirchengemeinden sowie der Kirchenkreis Harzer Land gezwungen sind, ihre Strukturen dahingehend anzupassen.
Da sich diese Entwicklung durch ganz Niedersachsen zieht, gibt es seitens der Hannoverschen Landeskirche eine Sparvorgabe von 12 Prozent, die in den Gemeinden vor Ort umgesetzt werden muss.
„Das sind gravierende Veränderungen“, sagt Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng und hat viel Verständnis dafür, dass alles, was da kommt, vielen Menschen erst einmal Angst macht.

Aus diesem Grund entschied sie sich gemeinsam mit Ellen Abel als Sprecherin des Stellenplanungsausschusses zu einem Videointerview, in dem beide die Entscheidungsprozesse im Kirchenkreis erklären, wie mit den Vorgaben umzugehen ist, welche Planungen es überhaupt gibt und auch, dass jede Veränderung auch Chancen beinhaltet, insbesondere wenn es darum geht, dass nicht mehr jede Gemeinde alles anbieten muss, sondern auf regionaler Ebene Schwerpunkte gesetzt werden, die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende entlasten sollen.

So erläutert die Superintendentin, dass der Kirchenkreis am Ende des nächsten Planungszeitraums, also 2028, pro Jahr 842 000 Euro weniger zur Verfügung haben wird als bisher. „Die Regionen sollen gemeinsam überlegen, wie in ihren Gemeinden am sinnvollsten die Kürzungen umzusetzen sind“, sagt sie auf die Frage, wie denn entschieden wird, wo und was eingespart wird.
„Uns im Stellenplanungsausschuss war es wichtig, die Basis mit einzubinden“, betont auch Ellen Abel. Die Kirchenvorstände kennen ihre Situation am besten, führt sie aus, so dass sie sagen sollen, was ihnen in den Regionen wichtig ist. So soll gewährleistet sein, dass alle wichtigen Aufgaben erledigt werden können. Diese größeren Strukturen sollen Synergien zwischen den Gemeinden schaffen. Somit machen beide deutlich, dass die Notwendigkeit zur Veränderung zwar von außen kommt, die Ausgestaltung der künftigen Arbeit aber aus den Gemeinden heraus bzw. ebenso aus den Einrichtungen des Kirchenkreises und der Verwaltung, die sich so auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren und dadurch zukunftsfähig aufstellen können. „Die Arbeit wird sich für jeden ein Stück weit verändern“, sagt Ulrike Schimmelpfeng zuversichtlich, „aber es kann eine Chance sein, dass wir noch einmal nachdenken können, was für uns als Kirche wirklich wichtig ist.“
Das Interview führte Christian Dolle, gefilmt wurde es von Julian Diener und ist auf Youtube zu sehen: https://youtu.be/-UjaGjcQrKU 

Landesbischof Ralf Meister

Quelle: Heiko Preller
Landesbischof Ralf Meister

Wir sollten so einladend wie möglich sein

Interview mit Bischof Ralf Meister
 
Die Fragen stellte die Öffentlichkeitsbeauftragte des KK Harzer Land Mareike Spillner.
Januar 2022
 
 
1. Die evangelische Kirche erlebt, nicht nur im Harzer Land, einen starken Mitgliederschwund und muss in den nächsten Jahren massiv sparen. Wie kann Kirche vor Ort präsent sein?
Die Kirchengemeinden im Oberharz gehen bereits sehr gute Wege: Sie stärken die Zusammenarbeit wie beim gemeinsamen Kirchenbüro oder in der Konfirmandenarbeit, stimmen ihre Angebote gezielt auf die Bedürfnisse der Menschen ab, die in den Gemeinden leben, entwickeln zusammen neue Gottesdienstformate und beraten über den Fortbestand von Gebäuden – um nur einige Beispiele zu nennen. Und gleichzeitig haben sie auch den Mut, Dinge sein zu lassen, denn nur so ist Raum da, um auch mit weniger Ressourcen Neues möglich zu machen.
 
2. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Chancen des Zukunftsprozesses?
Die Chancen sehe ich darin, dass es die Möglichkeit gibt, auf vielen Ebenen nach ganz konkreten kirchlichen Zukunftsperspektiven zu suchen. Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Einrichtungen – alle können ihre Ideen einbringen, wie künftig kirchliche Arbeit am besten gestaltet werden kann. Es geht darum, dass viele unterschiedliche Ideen auf den Tisch kommen, dass sich unterschiedliche Akteurinnen und Akteure auch über Kirchenkreisgrenzen hinweg miteinander vernetzen und austauschen. Dabei ist mir wichtig, dass bei allen nötigen Rahmenbedingungen auch bestehende Verfahren und Ordnungen überprüft werden, die das Miteinander des kirchlichen Lebens vor Ort erschweren, verzögern oder verhindern. Nur so viele Gesetze wie unbedingt nötig und so viel Freiheit wie möglich. Am Ende wird die Landessynode aus der Vielzahl an Möglichkeiten eine Linie herausfiltern, die möglichst gute Rahmenbedingungen für die kirchliche Arbeit vor Ort sicherstellt – und zwar deutlich über das Jahr 2030 hinaus.
 
 
3. Wie kann Kirche "attraktiv bleiben", auch wenn es nicht mehr an jedem Sonntag in jedem Ort einen Gottesdienst gibt?
Bei allen Veränderungsprozessen müssen wir uns als Kirche immer fragen: Was dient den Menschen? Wie können sie in Kontakt mit dem Evangelium kommen? Was ist notwendig, damit wir unserer Verantwortung in der Nächstenliebe im öffentlichen Raum gerecht werden können? Da müssen wir als Kirche anders agieren als vor 20 oder 50 oder 150 Jahren. Aber ich bin zuversichtlich, dass das gelingt. Wenn ich allein sehe, wie sich unsere Kirche in den vergangenen zwei Jahren verändert hat mit einer rasanten Entwicklung bei neuen Gottesdienstformen und Seelsorgeangeboten, mit neuen diakonischen Formaten wie Nachbarschaftshilfen und vielem mehr, was entstanden ist. Die Kirchengemeinde vor Ort und auch der Gottesdienst wird dabei nach wie vor entscheidend sein. Wir werden in Zukunft unsere Strukturen flexibler machen müssen für neue Formen von Gemeinden, die je nach regionaler Ausprägung digitaler, ökumenischer oder internationaler sein werden als wir uns das heute vorstellen können.
 
 
4. Können sich andere Gemeinden etwas vom Weg der Oberharzer Gemeinden "abschauen"?
„Abschauen“ ist vielleicht nicht das richtige Wort. Unsere Aufgabe in Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und in der Landeskirche ist es, Ideen von Kirche zu entwickeln, die die jeweiligen Fragen und Bedürfnisse der Menschen vor Ort aufnehmen. Und da wird es keinen Masterplan geben, der überall gleich aussieht, sondern es geht gerade um die unterschiedliche Ausgestaltung vor Ort. Und wie mutig das die Gemeinden im Oberharz angehen, ist toll. Diese Haltung finde ich beispielhaft.
 
 
5. Wie kann Kirche langfristig neue Mitglieder gewinnen?
Wenn Menschen neu oder wieder in die Kirche eintreten, ist das großartig. Doch ich glaube, dass wir Perspektiven brauchen, die über die reine Mitgliederfrage hinausgehen: Wie können wir so Kirche sein, dass Menschen gerne bei uns mitmachen möchten, sich von unserer Botschaft angesprochen fühlen? Wir sollten so einladend wie möglich sein. Die Vielfalt gemeindlicher Themen und Schwerpunkte in unseren Kirchengemeinden ist beeindruckend, dennoch ist für die Zukunft noch mehr Mut gefragt, über klassische kirchliche Handlungsfelder und ein womöglich eingefahrenes Selbstverständnis hinauszuwachsen. Dafür sehe ich Jesu Leben und Wirken auch nach mehr als 2.000 Jahren noch als Vorbild an. Er hat seine Botschaft in jeder einzelnen Begegnung neu entfaltet. Diese innere Freiheit und Spontanität wünsche ich mir für alle Menschen, die in unserer Kirche aktiv sind.

In größeren Zusammenhängen Kirche neu denken

Kirchengemeinden durch Sparvorgabe gezwungen, Strukturen anzupassen
von Mareike Spillner, Öffentlichkeitsbeauftragte im Kirchenkreis Harzer Land
 
Die Rahmenbedingungen von Kirche haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Zum einen sind die Bevölkerungszahlen rückläufig, die Einwohnerzahlen sinken. Zum anderen sind weniger Menschen Mitglied in der evangelischen Kirche. Im Kirchenkreis Harzer Land ist der Anteil älterer Menschen höher als in anderen Gebieten Niedersachsens. Hinzukommt, dass die Landkreise Goslar, Northeim und Göttingen   ̶   so die Prognose   ̶   in den kommenden Jahren weiter an Einwohnern verlieren. Diese gravierenden Veränderungen haben auch spürbaren Einfluss auf die Haushaltsmittel. Dieser Entwicklung folgend wurde im Herbst 2020 von der Landessynode, dem Parlament der Hannoverschen Landeskirche, eine 12 Prozent-Sparvorgabe beschlossen und an die Kirchenkreise und damit die Kirchengemeinden vor Ort weitergegeben.
 
„Im Moment ist es so, dass wir rund … Gemeindeglieder in der Region … haben – 2030 werden es wahrscheinlich noch etwa … Gemeindeglieder sein. Das sind gravierende Veränderungen“, sagt Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng. 
Im zeitraum von 2023 bis 2028 werden der Region immer weniger Mittel zur Verfügung stehen, letztendlich werden es … Euro weniger sein. Dennoch sollen die Gemeinden natürlich handlungsfähig bleiben, so dass dringend neue Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Um genau diese kümmerten sich in der letzten Zeit schon viele Kirchenvorsteher*innen und Kirchenkreisverantwortliche, deren oberstes Ziel es war, die Einschnitte so gut wie möglich abzufedern.
Wichtig ist allen Beteiligten, dass weitestgehend nicht an jenen Strukturen gespart wird, die für eine Kirche lebenswichtig sind: es sollen weiterhin vielfältige Gottesdienst gefeiert werden und  Gemeindehäuser als Orte der Begegnung geben. Sekretär*innen, Küster*innen, Organist*innen sollen natürlich auch weiterhin Ansprechpartner sein. Allerdings wird in der Verwaltung vieles gebündelt werden. 
Letztlich bedeuten diese Schritte also auch, ein zukunftsfähiges Modell von Kirche zu schaffen, das zwar schmerzlich ist, weil es bedeutet, dass von Gewohntem Abschied genommen werden muss, aber durchaus auch eines, das manche Chance bietet.
„Warum muss denn in jeder Kirchengemeinde alles angeboten werden?“, wurde auch in anderen Regionen und Kirchenkreisen gefragt. „Ist es nicht möglicherweise sogar viel sinnvoller, in größeren Zusammenhängen bedarfsorientiert zu arbeiten, Stärken zu bündeln und Synergien zu nutzen?“ 
 
Die Planungen für den gesamten Kirchenkreis Harzer Land sehen vor, dass die Ergebnisse des Perspektivprozesses aus allen Regionen im 1. Schritt an den Kirchenkreis weitergegeben und von der Steuerungsgruppe des Kirchenkreises beraten werden. Wie haben sich die Regionen entschieden, wie lassen sich vielleicht auch Stellen in verschiedenen Regionen kombinieren, und kommt der Kirchenkreis Harzer Land insgesamt hin mit der Kürzungssumme, die aufgebracht werden muss. Im Februar 2022 wurde der Stellenrahmenplan in der Kirchenkreissynode vorgestellt. Spätestens im Juni muss er in der Endfassung an die Landeskirche übergeben werden.